Welchen Einfluss haben Darmbakterien auf die frühe Entwicklung des Immunsystems und somit die Infektionsanfälligkeit?
Worum geht es in diesem Forschungsprojekt?
Prof. Viemann erläutert, worum es in diesem Projekt geht.
Worum geht es in diesem Forschungsprojekt?
Frühgeburten sind die weltweit häufigste Ursache der neonatalen Morbidität und Sterblichkeit, und hier sind Infektionen die stärkste Bedrohung. Etwa ein Viertel aller Säuglinge, die vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren werden, entwickelt im Säuglingsalter eine schwere Infektion. Unser Wissen darüber, wie sich die Immunprogrammierung bei Frühgeborenen von der bei Reifgeborenen und Erwachsenen unterscheidet, ist sehr limitiert. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das sich entwickelnde Darmmikrobiom zum einen eine wichtige Quelle für Infektionen sein kann und zum anderen auch eine wichtige Rolle für die postnatale Reifung des Immunsystems spielt. Beim Menschen liegen jedoch noch keine detaillierten Informationen darüber vor, wie die altersabhängige Programmierung und Mikrobiota-abhängige Prägung den Immunstatus und die lebenslange Anfälligkeit für Infektionskrankheiten beeinflussen.
Wie ist der Stand der Dinge?
Derzeit können wir nicht vorhersagen, welches Baby ein erhöhtes Infektionsrisiko haben wird. Dieses diagnostische Dilemma führt häufig dazu, dass Frühgeborene präventiv Antibiotika erhalten. Wir wissen auch nicht, welche immunomodulatorische Strategien bei der Immunreifung und der Vorbeugung schwerer Infektionen helfen könnten. Epidemiologische und tierexperimentelle Studien deuten darauf hin, dass die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikrobiota für die postnatale Reifung des Immunsystems und die Entwicklung der lebenslangen Immunhomöostase entscheidend sind – insbesondere in der neonatalen Phase. Jedoch noch weitestgehend unbekannt sind die Wirtsfaktoren und die spezifische Kombination von kommensalen Bakterien, die zur Förderung der Wirtsresistenz und des immunvermittelten Schutzes erforderlich sind.

Wie kommen wir da hin?
In den letzten Jahren haben die AG Viemann und die AG Hansen zum Paradigmenwechsel beigetragen, indem sie zeigen konnten, dass eine spezifische entzündliche Programmierung der systemischen angeborenen Immunität zum Zeitpunkt der Geburt keine Infektion widerspiegelt, sondern tatsächlich ein schützender S100-Alarmin-vermittelter Zustand ist (Austermann et al., 2014; Heinemann et al., 2017; Ulas et al., 2017; Pirr et al., 2017; Bickes et al., 2019). Daher müssen bei der Bewertung von Frühgeborenen die gängig verwendeten Biomarker und Risikokriterien neu bewertet werden. Darüber hinaus zeigten die AG Viemann und andere, dass bei Frühgeborenen eine Darmdysbiose der spät einsetzenden Sepsis und nekrotisierenden Enterokolitis vorausgeht (Graspeuntner et al., 2018). Die AG Hühn zeigte, dass die neonatale Phase entscheidend für die stabile Prägung von tolerogenen Eigenschaften in mesenterialen Lymphknoten-Stromazellen durch Mikrobiota ist (Pezoldt et al. 2018). Die AG Strowig konzentrierte sich auf die Zusammensetzung von Mikrobiota und zeigte, dass spezifische mikrobielle Gemeinschaften Entzündungen auslösen und dadurch die Fähigkeit des Wirtes zur Produktion antibakterieller Effektorzytokine modulieren können (Thiemann et al., 2017; Roy et al., 2017). In RESIST bündeln wir unsere Expertise und arbeiten gemeinsam daran zu verstehen, wie die sich neu entwickelnde Mikrobiota bei Frühgeborenen zur altersabhängigen Programmierung der angeborenen und adaptiven Immunität und der damit verbundenen Anfälligkeit für Sepsis und Atemwegsinfektionen beiträgt. Dazu greifen wir unter anderem auf Daten aus der „Priming Immunity at the beginning of Life“ (PRIMAL)-Kohorte zurück.