Wie kann die Diagnose verbessert werden, damit möglichst viele Betroffene frühzeitig erkannt werden?
Worum geht es in diesem Forschungsprojekt?
Die Fitness des Immunsystems ist in der Bevölkerung ungleich verteilt. Einerseits gibt es Einzelberichte über den „90-jährigen Raucher, der noch nie ins Krankenhaus eingeliefert wurde“, andererseits gibt es immungeschwächte Personen, die ohne medizinische Intervention nicht überleben würden und manchmal sogar eine Knochenmarktransplantation brauchen. Diese Personen mit einem stark beeinträchtigten Immunsystem haben schwere und oft untypische (z. B. opportunistische) lebensbedrohliche Infektionen und eine Veranlagung zu (hauptsächlich viral induzierten) malignen Erkrankungen. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es jedoch eine Verteilung der Immuntauglichkeit, bei der Patientinnen und Patienten mit wiederkehrenden, nicht lebensbedrohlichen – aber wiederholten oder verlängerten – Infektionen die Mehrzahl der Fälle darstellen. In den letzten Jahrzehnten wurde festgestellt, dass mehr als 350 verschiedene Gene bei Immundefektpatienten mutiert sind.
Wie ist der Stand der Dinge?
Abhängig von der Kohorte der Studie können die mehr als 350 Gene, die mit primären Immundefekten (PID) assoziiert sind, nur etwa 15-60% der Fälle erklären. Sicher, es sind wahrscheinlich noch weitere Gene zu entdecken, aber es ist auch wahrscheinlich, dass unsere Suche nicht tief genug ist und das monogene Modell nicht ausreichend ist, um die diagnostische Odyssee zu erfüllen. Heutzutage werden in der Klinik routinemäßig Next-Generation-Sequencing-Technologien (NGS) eingesetzt, um eine genetische Diagnose zu erhalten. Die meisten PID-Patientinnen und -Patienten werden einer gezielten Gen-Panel-Sequenzierung (targeted gene panel, TGP) oder einer Gesamt-Exom-Sequenzierung (whole exome sequencing, WES) unterzogen, trotzdem bleibt eine erhebliche Anzahl von ihnen nicht diagnostiziert, wie dies für die meisten monogenetischen Erkrankungen der Fall ist. Dafür kann es viele Gründe geben. Erstens sind standard NGS-Bioinformatik-Pipelines nicht speziell dafür ausgelegt, Änderungen der Kopienanzahl (copy number alterations, CNAs) oder Strukturvarianten (SVs) zu erkennen, und diese können übersehen werden. Zweitens beschränkt die Verwendung von TGP oder WES die Suche auf den codierenden Teil des Genoms (2%). Drittens wurden andere ursächliche oder beitragende Faktoren, die mit dem monogenen Modell ausgeschlossen sind, wie das epigenetische Profil, die Regulation der Genexpression oder das Darmmikrobiom, nicht ausreichend untersucht.

Es könnten mehr Patientinnen und Patienten mit Immundefekten registriert werden.
Wie kommen wir da hin?
Der Prozentsatz der positiv diagnostizierten Patientinnen und Patienten könnte erhöht werden. Möglich ist dies durch eine erneute Analyse der WES-Daten mit benutzerdefinierten Bioinformatik-Pipelines oder durch die Verwendung neuartiger alternativer Methoden wie Next Generation Mapping (NGM), um CNAs oder SVs zu erkennen – einschließlich Insertionen, Translokationen und Inversionen – die mit allgemein üblichen Techniken nicht nachweisbar sind. Ein weitere Möglichkeit besteht darin, die epigenetischen DNA-Methylierung-Muster und die Histonmodifikation in einem genomweiten Ansatz zu erforschen. Darüber hinaus können wir durch Sequenzierung des Darmmikrobioms die phylogene und funktionelle Vielfalt der Darmmikrobiota und ihre Rolle bei der Gestaltung des Immunsystems untersuchen. Schließlich könnten Mikrobiomdiversität und Komorbidität bei Patienten mit PID mit der Analyse von intestinalen Immunglobulinen angegangen werden.
Das Projekt A2 bezieht und registriert seine Patientinnen und Patienten aus dem schon seit 2009 bestehenden nationalen Register für immundefekte Patientinnen und Patienten, dem PIDnet Register. Das PIDnet Register ist wiederum Teil des europäischen Immundefektregisters der ESID (European Society for Immunodeficiencies). Da im PIDnet Register die klinischen Daten der Patientinnen und Patienten geführt werden, ist das PIDnet Register ein integraler Bestandteil von RESIST. Zudem bezieht das Projekt Daten und Biomaterialien aus der Kohorte der Klinischen Forschungsgruppe 250 (KFO 250) in die Forschungen ein.