Welche neuen therapeutischen Möglichkeiten ergeben sich, wenn der Prozess des Aufbaus von Herpesviren bekannt ist?
Worum geht es in diesem Forschungsprojekt?
Gesunde Menschen mit einem funktionierenden Immunsystem können Herpesviren in der Regel in Schach halten, während bei sehr jungen und älteren Personen sowie bei Patienten mit erhöhter Anfälligkeit – entweder aufgrund genetischer Faktoren oder in Folge einer Immunsuppression (z. B. nach Organtransplantation oder bei Patienten, die mit HIV / AIDS leben) primäre oder wiederkehrende Herpesvirus-Infektionen schwere Krankheiten auslösen können. Da Herpesviren weltweit verbreitet sind, ist die von ihnen verursachte Krankheitslast sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern hoch. Krankheiten reichen von stigmatisierenden Hautläsionen über unerträgliche Schmerzen bis hin zu lebensbedrohlicher Encephalitis und Krebs. Insbesondere das humane Cytomegalievirus (HCMV), die Herpes-Simplex-Viren (HSV-1 und HSV-2), das Varicella-Zoster-Virus (VZV) und das Kaposi Sarkom-assoziierte Herpesvirus (KSHV) sind für die schwerwiegendsten, teilweise lebensbedrohlichen Komplikationen verantwortlich.
Wie ist der Stand der Dinge?
Zur Behandlung von Herpesvirus-Infektionen sind nur Medikamente zugelassen. Diese zielen hauptsächlich auf eine Replikationshemmung der viralen DNA-Genome ab und haben teilweise erhebliche Nebenwirkungen. Bei längerer Anwendung treten zudem resistente Virusstämme auf. Das kürzlich zugelassene Letermovir, welches das Terminase-Enzym von HCMV hemmt, erweitert zum ersten Mal das Spektrum an viralen Zielstrukturen für antivirale Medikamente. Es wurden jedoch bereits erste resistente HCMV-Mutanten beschrieben, weshalb die Möglichkeit von Kombinationstherapien, die gegen HIV und HCV überaus erfolgreich sind, auch für Herpesviren wünschenswert ist. Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, Protein-Protein-Interaktion zu identifizieren und zu charakterisieren, die für die Assemblierung infektiöser Virus-Partikel essentiell sind und daher als neuartige Ansatzpunkte für Medikamente dienen können. Diese Strategie wird den Weg für Kombinationstherapien mit reduzierter Nebenwirkung und einem viel geringeren Risiko für das Auftreten von arzneimittelresistenten Viren bei behandelten Patienten ebnen.
Wie kommen wir da hin?
Wir werden uns auf die Aufklärung der molekularen Prinzipien konzentrieren, die der Herpesvirus-Assemblierung zugrunde liegen, sowie auf die Funktion von dabei beteiligten, evolutionär konservierten Proteinkomplexen, und dazu auf unser breites Fachwissen und unsere Expertise mit unterschiedlichen Techniken zurückgreifen (für bestimmte Aspekte in Zusammenarbeit mit Thomas Schulz und Abel Viejo Borbolla). Zusammen verfügen wir über fundierte Erfahrungen mit ausgefeilten Expressionsstrategien für rekombinante Proteine, modernster Strukturbiologie (einschließlich Röntgenkristallographie, Kryo-Elektronenmikroskopie und Elektronenkryotomographie), Proteinbiochemie (z. B. markierungsfreie Interaktionsanalyse, Co-Immunpräzipitation, in-vitro-Kapsid-Assemblierung und -tegumentierung), Herpesvirusgenetik (BAC-Mutagenese), Immunelektronenmikroskopie von infizierten Zellen und Gewebe, und Bildgebung von lebenden Zellen unter Verwendung von Viren mit fluoreszenzmarkierten Kapsiden und Tegument. Mit unserer umfassenden Expertise werden wir sowohl evolutionär konservierte Mechanismen als auch Schritte bei der Partikel-Assemblierung analysieren, die sich zwischen den einzelnen Herpesviren unterscheiden.