Eine historische Chance

Senior Individuals (SI) Kohorte mit Bürgerinnen und Bürgern aus Hannover

Gürtelrose, Grippe, Corona – Warum sind ältere Menschen oft anfälliger für virale Infekte als jüngere? Und weshalb wirken Impfungen bei ihnen teilweise schwächer? Können bestimmte Viren sogar andere Erkrankungen wie Atherosklerose oder Diabetes verschlimmern? Um diese Fragen beantworten zu können und weitere Zusammenhänge zwischen viralen Infektionserkrankungen und dem Alter aufklären zu können hat das RESIST-Team von Ende 2019 bis Ende 2023 eine klinische Kohorte etabliert. In diese sind 650 Bürgerinnen und Bürger aus Hannover aufgenommen worden, nachdem sie zufällig ausgewählt worden sind und der Teilnahme zugestimmt haben.

Was ist die Senior Individuals Kohorte?

Die Senior-Kohorte stellt ein zentrales RESIST-Projekt für andere RESIST-Projekte dar. Denn die Daten der Teilnehmenden können mit denen von Patientinnen und Patienten verglichen werden – mit dem Ziel, Krankheiten besser verstehen und behandeln zu können. Dies geschieht beispielsweise bei den Themen Gürtelrose und Herpesvirus-Erkrankungen. Darüber hinaus ist die RESIST-Kohorte mit einer ähnlich aufgebauten Kohorte vernetzt, an der jüngere Menschen teilnehmen. Dies ermöglicht, altersspezifische Unterschiede in den Befunden zu erkennen.

„Wir wollen die zugrundeliegenden Mechanismen verstehen und Zielmechanismen identifizieren, die man für neue Konzepte der Prävention, des Managements und der Therapie der Krankheiten nutzen kann“, sagt Professor Dr. Thomas Werfel. Der Direktor der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat die Generierung und Auswertung der Daten geleitet, die im Rahmen der Senior-Kohorte gewonnen werden. Gemeinsam mit Professorin Dr. Yang Li sowie den Professoren Förster, Hühn, Illig, Krause, Schulz, Stangel und Strowig hatte er zuvor die Kohorte zuvor aufgebaut.

Professor Dr. Thomas Werfel leitet die Senior Individuals (SI) Kohorte

Sie arbeiten für die Senior Individuals (SI) Kohorte (von links): Dr. Yvonne Kemmling und Simone Kuczyk, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Dr. Lennart Rösner und Ella Fiebig, Immundermatologie, Dr. Verena Kopfnagel, Biobank

Im Studienzentrum des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Hannover haben Dr. Yvonne Kemmling und ihr Team die teilnehmenden Probandinnen und Probanden gemeinsam mit der MHH-Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie der MHH-Klinik für Neurologie, der Hannover Unified Biobank (HUB) und einer Reihe weiterer RESIST-Arbeitsgruppen rekrutiert – unter der Leitung von Dr. Stefanie Castell, Abteilung Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig.

Die Freiwilligen wurden beispielsweise nach ihrer Lebensweise befragt, nach Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme, es ging aber auch um Messungen wie die des Blutdrucks, und Untersuchungen, etwa der Haut. Insbesondere wurden auch verschiedene Parameter im Labor untersucht, um die Immunfunktionen besser verstehen zu können. Dazu wurden anhand von Bioproben wie Blut, Stuhl und Abstrichen der Nasenschleimhaut umfangreiche Laboruntersuchungen durchgeführt.

Bioproben der Probandinnen und Probanden der Senior-Kohorte, der HSV-Kohorte und der Zoster-Kohorte wurden in einem harmonisierten Prozess gemeinsam organisiert, prozessiert und dokumentiert, sodass die RESIST-Forschungsprojekte diese vergleichend untersuchen können. Der Laborleiter, Dr. rer. nat. Lennart Rösner, hat eine langjährige wissenschaftliche Expertise in der Entzündungsforschung und arbeitet aktuell als Juniorgruppenleiter innerhalb der Abteilung Immundermatologie und experimentelle Allergologie.

Datenermittlung und Forschungshintergrund

Eine Übersicht über Aufbau und Zielsetzung, Rekrutierung, Datenerhebung sowie erste Einblicke gibt das 2024 publizierte Kohorten-Profil. Im Blut wurden Routineparameter gemessen, beispielsweise wurden die Leber- und Nierenwerte bestimmt. Diese Werte bekamen die Probandinnen und Probanden auf Wunsch mitgeteilt. Darüber hinaus wurden unter anderem spezifische Immunreaktionen gegen Viren betrachtet, zum Beispiel gegen Grippe- und Hepatitisviren. Es ging beispielsweise auch um die Antikörper und T-Zellen des Immunsystems. Zudem spielte das Transkriptom eine Rolle, also alle in einer Zelle hergestellten RNA-Moleküle, und die Epigenetik – also die Faktoren, die bestimmen, wie aktiv ein Gen ist und wie sich somit eine Zelle entwickelt. Darüber hinaus wurden alle abgelesenen Gene (das Exom) sequenziert – mit dem Ziel, schwere Infektionen oder Genmutationen aufzudecken. Dabei wurden selbstverständlich die strengen Regeln des Datenschutzes eingehalten. Die Proben nutzten die Forscherinnen und Forscher auch für die Immunstimulation – beispielsweise mit Corona-Antigenen. „Wir haben bei allen Teilnehmenden spezifische zelluläre Tests mit SARS-CoV-2-Antigenen durchgeführt, um die altersabhängigen Immunmechanismen in der Abwehr dieses Virus im Vergleich zu anderen Virusinfektionen besser zu verstehen“, sagt Professor Werfel.

Darüber hinaus ermöglichten die Stuhlproben es, das Mikrobiom des Darms zu betrachten. Dabei ging es beispielsweise um die Frage, ob es Besonderheiten gibt, die zu Virusinfekten im Alter führen können. Denn das Mikrobiom kann das Immunsystem sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.

„All die gewonnenen Daten werden dabei helfen, die individuelle Anfälligkeit gegenüber Infektionen besser verstehen und behandeln zu können. Dies ist eine historische Chance“, sagt Professor Werfel.

Die Teilnehmenden der Senior Individuals (SI) Kohorte werden im Studienzentrum zunächst ausführlich befragt und anschließend untersucht.