Der SFB 900 bildete die Grundlage für RESIST:
Am 13. und 14. Oktober 2022 fand im Marriott Courtyard Hotel am Maschsee das Abschlusssymposium des Sonderforschungsbereichs 900 „Chronische Infektionen: Mikrobielle Persistenz und ihre Kontrolle“ statt.
Der SFB 900 war am 1. Juli 2010 gestartet und wird am 31.12.2022 nach 12½ jähriger Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft zu Ende gehen – er hat damit, nach zwei erfolgreichen Zwischenevaluationen 2014 und 2018 und einer 6-monatigen, Pandemie-bedingten Verlängerung die maximal mögliche Förderdauer erreicht. Der SFB 900 ist der erste ganz auf Infektionen fokussierte Sonderforschungsbereich der MHH: Infektionsthemen waren zuvor in Sonderforschungsbereichen der MHH mit anderen Schwerpunkten bearbeitet worden. Mit dem Fokus auf chronische Infektionen trug der SFB 900 den in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts gewachsenen Stärken der Infektionsforschung an der MHH auf den Gebieten der Hepatitis- und Herpesviren und chronischen bakteriellen Erreger Rechnung. Zusammen mit dem Internationalen Graduiertenkolleg IRTG 1273 „Strategies of human pathogens to establish acute and chronic infections“ bildete der SFB 900 die Grundlage für das im Jahr 2019 an den Start gegangene Exzellenzcluster RESIST.
Das SFB 900 Symposium im Oktober 2022 war deshalb dem Rück- und Überblick auf die Entwicklung der gegenwärtig laufenden 19 Projekte über die letzte Dekade gewidmet. Die Vorträge der SFB 900-Projektleiterinnen und -Projektleiter wurden durch Vorträge eingeladener externer Sprecherinnen und Sprecher zu denselben Forschungsthemen begleitet. Zu den Erregern Helicobacter pylori und Pseudomonas aeruginosa, welche als Schwerpunkte im SFB 900 bearbeitet worden waren, gab es Vorträge von S. Suerbaum, C. Josenhans, S. Bartfeld (Berlin) und B. Tümmler. Sie beleuchteten die Evolution bakterieller Genome, die molekularen Mechanismen der Plastizität bakterieller Genome, die Rolle eines Lipopolysaccharid Metaboliten bei der durch H. pylori ausgelösten Entzündungsreaktion und neue Organoidmodelle zur Untersuchung des Tropismus von H. pylori für bestimmte Zelltypen der gastrointestinalen Mukosa. Ergänzt wurden diese Vorträge durch einen Überblick von X. Didelot, Universität Warwick, UK, über neue phylogenetische Methoden zur Rekonstruktion der Evolution bakterieller Genome und durch einen Vortrag von G. Graßl, MHH, zu chronischen Salmonella- Infektionen.
Der große Themenbereich „Immunantworten bei chronischen Infektionen“ wurde von einem engagierten Vortrag von A. Hayday, King’s College London eingeleitet; er referierte über Immunmechanismen, welche die Homöostase nach Infektion und Krebs wiederherstellen. Es folgten Vorträge von I. Prinz, S. Ravens, B. Eiz-Vesper zu gamma delta und alpha beta T-Zellen bei viralen Infektionen und von A. M. Leen, Texas, zu antiviralen T-Zell Therapien. H. Wedemeyer und M. Cornberg beleuchteten die andauernden Veränderungen im Immunsystem nach Hepatitis C-Virus-Infektionen, und R. Förster, L. Cicin-Sain, U. Kalinke und M. Brinkmann berichteten über ihre langjährigen Arbeiten zur Auseinandersetzung des angeborenen und adaptiven Immunsystems mit dem Cytomegalovirus. Ein Vortrag von S. Urban, Heidelberg, fasste dessen langjährige Arbeiten zusammen, die zur Entwicklung eines jetzt in der Klinik zugelassenen Inhibitors des Hepatitis B- und D-Virus geführt hatten. Ein anschließender Besuch im Wilhelm Busch Museum und das Betrachten der dort ausgestellten Zeichnungen von Wilhelm Busch und der englischen Karikaturen des 18. Jahrhunderts bot Anlass zu – insbesondere für Doktorandinnen und Doktoranden aus anderen Kulturkreisen – interessanten Diskussionen über die Entwicklung der Presse- und Meinungsfreiheit im 18. und 19. Jahrhundert.
Der zweite Tag des Symposiums war chronischen Virusinfektionen gewidmet, insbesondere den drei im SFB 900 bearbeiteten Herpesviren Herpes-Simplex -Virus (HSV; B. Sodeik, A. Viejo-Borbolla, A. Cliffe), Humanes Cytomegalovirus (HCMV; M. Messerle, N. Stern-Ginossar), Kaposi Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV/HHV8; T. Schulz), sowie zwei Hepatitis-Viren, Hepatitis-C-Virus (HCV; T. Pietschmann, G. Gerold, J. Marcotrigiano) und Hepatitis E Virus (HEV; T. Krey). C. Goffinet berichtete über ihre jüngsten Arbeiten zu SARS-CoV-2. Zum Ausklang referierten zwei eingeladene Sprecher über neue Arten der Verteidigung der Zelle gegen intrazelluläre Erreger: P. Lehner (Universität Cambridge) über seine Arbeiten zum HUSH-Komplex und epigenetischen Mechanismen bei der Abwehr retroviraler Genome, und M. Gack (Lerner Research Institute, Cleveland Clinic, Florida) über die Rolle von zellulären non-coding RNAs bei der Stimulation der angeborenen Immunantwort.
Insgesamt fanden wir alle, dass dieses Symposium, welches ein zwölfjähriges Forschungsprogramm reflektierte und auch viele neue Anregungen und Einblicke geboten hatte, ein würdiger wissenschaftlicher Abschluss unseres SFB 900 gewesen war.
Thomas Schulz