Gabriele Gründl vertritt die Patientinnen und Patienten im internen Beirat von RESIST

Wir freuen uns sehr, dass Gabriele Gründl die Aufgabe übernommen hat, im internen Beirat von RESIST die Patientinnen und Patienten zu vertreten. Sie ist Bundesvorsitzende der Patientenorganisation Deutsche Selbsthilfe für angeborene Immundefekte (dsai) und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

Frau Gründl, Sie setzen sich seit mehr als drei Jahrzehnten für Menschen mit angeborenen Immundefekten ein. Was hat sich für die Betroffenen durch die Corona-Pandemie verändert?

Die Plasma-Spenden, auf die viele Betroffene angewiesen sind, sind zurückgegangen – weil weniger Menschen spenden und weil es zu Lieferschwierigkeiten gekommen ist, zum Beispiel aus den USA, woher rund 30 Prozent des Plasmas bezogen wird. Zudem drehte sich viel um die Frage, ob man sich impfen lassen soll oder nicht. Bei mehr als 480 verschiedenen Krankheitsbildern innerhalb der angeborenen Immundefekte ist es leider nicht möglich, eine generelle Empfehlung zu geben. Darüber hinaus isolieren sich viele Betroffene aus Angst vor Ansteckung, manche gehen kaum noch vor die Tür.

Was sollte in Bezug auf angeborene Immundefekte besonders vorrangig erforscht werden?

Besonders zukunftsweisend ist aus meiner Sicht die Forschung im Bereich der Gentherapie. Allerdings sind diese Therapien sehr kostenintensiv.

Sie haben die dsai selbst im Jahr 1991 gegründet. Der Anlass war, dass bei Ihrem Sohn ein angeborener Immundefekt diagnostiziert worden war. Wie geht es ihm heute?

Mario ist inzwischen 33 Jahre alt und es geht ihm relativ gut. Als er sieben Monate alt war, bekam er immer wieder Infekte, die sich in der Blase manifestierten. Er war monatelang in der Klinik und seine Nieren haben schon nicht mehr richtig gearbeitet. Als er nach einer Blasenspiegelung eine Bluttransfusion benötigte, fieberte er hoch und ein Immunologe wurde hinzugezogen. Da kam heraus, dass er keine Antikörper hat und seitdem wird er mit Immunglobulinen behandelt.

Die dsai führt ärztliche Fortbildungen zu Immundefekten durch und macht sehr viel Öffentlichkeitsarbeit. Wie informiert sind Ärzteschaft und Öffentlichkeit derzeit in Bezug auf Immundefekte?

Die Diagnoserate hat sich verbessert. Doch grade niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind noch viel zu wenig informiert. Sie denken noch zu selten an angeborene Immundefekte, wenn es zu häufigen Infekten kommt, die sich durch Antibiotika zwar kurz unterdrücken lassen, dann aber wiederkommen. Dabei sind dies die eindeutigen Warnzeichen.

Die dsai hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Bundesärztekammer eine „Zusatzausbildung Immunologie“ anbietet, sie setzt sich derzeit für die Einführung des „Facharztes für Immunologie“ ein. Eine weitere Errungenschaft ist, dass Neugeborene auf schwere angeborene Immundefekte untersucht werden. Gibt es ein nächstes großes Ziel?

Wir brauchen mehr Behandlungszentren für Immundefekte bei Erwachsenen, bisher müssen zum Teil monatelange Wartezeiten in Kauf genommen werden. Zudem fehlt es auch an Zentren, in denen Plasma gespendet werden kann – damit für die Patientinnen und Patienten genügend Immunglobuline zur Verfügung stehen.

Die dsai: Eine Stimme für Menschen mit seltenen Erkrankungen
Angeborene Immundefekte zählen zu den seltenen Krankheiten; aktuell sind bereits knapp 500 verschiedene primäre Immundefekte bekannt. Die Patientenorganisation dsai setzt sich für frühzeitige Diagnose, angemessene Therapie und flächendeckende Versorgung ein, aber auch für Aufklärung der Öffentlichkeit, Schulung von Ärztinnen und Ärzten sowie immunologische Forschung. Besonders wichtig ist ihr der Austausch mit Betroffenen – es gibt bundesweit 15 Regionalgruppen – und die Beratung durch die Bundesgeschäftsstelle. Dem Verein gehören fast 1.000 Mitglieder an, er finanziert sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Mehr Informationen gibt es auf der Homepage www.dsai.de.

Das Foto zeigt Gabriele Gründl